Im Frühjahr 2023 haben die ersten beiden Auszubildenden die praxisintegrierte Ausbildung (PIA) zum Heilerziehungspfleger (HEP) bei der ASG bestanden. Thorben Utermann blickt auf die drei PIA-Jahre zurück.
Theorie und Praxis ist oft ein Gegensatz, der eigentlich keiner sein sollte. Gerade in sozialen Berufen ist man schnell mit seinem Latein am Ende, Dinge die vielleicht einmal theoretisch gelernt wurden, entsprechen dann nicht der direkten Problematik, es braucht einen individuellen Lösungsansatz und keine universelle Erkenntnis. Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich die praxisintegrierte Ausbildung (PIA) zum Heilerziehungspfleger kurz HEP.
Dass man diesen Lösungsansatz sowohl in seiner Einrichtung als auch in der Schule nicht direkt auf dem Silbertablett serviert bekommt, war die erste Erkenntnis, die ich ihm Rahmen meiner PIA zum HEP machen durfte. Denn auch die Lehrer am Duisburger Getrud-Bäumer-Berufskolleg hatten nicht auf jede von uns Schülern geschilderte Situation eine direkte Antwort.
Wir Schüler merkten aber schnell, dass sich theoretische, aus der Pädagogik stammende oder in der Gesundheitslehre verankerte Standards des Lehrplanes, mit Leben füllten. Irgendwer hatte immer ein Beispiel aus Einrichtungen oder Werkstätten zu der entsprechenden Thematik, und so wurde die Theorie in der Schule für alle greifbarer.
In der Praxis, gerade in meiner Ausbildungswohnstätte, dem Wohnhaus Neumühl, hieß es erst einmal beobachten und vielleicht dann verstehen. In die eigene Rolle hineinwachsen, flankiert von erfahren Praxisbetreuern, die nie müde wurden, didaktische Angebotsplanungen zu lesen, aber auch konstruktive Kritik im Arbeitsalltag zu äußern. Die geschriebenen Planungen wurden dann in die Praxis umgesetzt und sowohl vom Anleiter in der Einrichtung als auch durch eine betreuende Lehrkraft bewertet. Die ersten eigenen Ansätze zur Förderung und Lösung sozialer Problematiken standen im Raum, dort war weniger manchmal mehr und es entwickelte sich ein Gespür für Bedarfe.
Natürlich ging die Pandemie auch an diesem Ausbildungsgang nicht vorbei, und gerade der schulische Teil musste sich mit Video-Chats und Netz-Recherche-Aufgaben irgendwie über Wasser halten. Die Not machte uns erfinderisch, was sicherlich nicht optimal, aber für alle eine spezielle Erfahrung war. Auch im Wohnheim war es eine Ausbildungssituation, die so sicher nicht geplant war. Doch sie prägte die Bindung zum Team und zu den Bewohnern nachhaltig positiv.
Jetzt ist die Ausbildung vorbei. Ich vermisse die Schule tatsächlich, denn sie war für mich ein Ort, an dem ich zwei- oder dreimal in der Woche über das Große und Ganze meines Ausbildungskosmos nachdenken konnte und durfte. Im Dienst im Wohnhaus bleibt dafür nicht immer Zeit, und das ist auch gut so, denn nicht jede Handlung eines strukturierten Arbeitstages sollte hinterfragt werden, erst recht nicht bei der sozialen Arbeit und der Pflege, was die Selbstreflektion trotzdem nicht ausschließt.
Ich bereue keine Minute dieser Ausbildung im Wohnhaus Neumühl. Allen, die bei der Amalie Sieveking Gesellschaft über den Tellerrand hinausschauen und doch eine wiederkehrende Tätigkeit im sozialen Arbeitsumfeld ausüben möchten, kann ich die PIA ausdrücklich empfehlen. Die vermittelte Praxis der Schule ist wie ein Handwerkskoffer zu verstehen: Im HEP-Alltag muss man wissen, wann man welches Werkzeug braucht und wie man es anwendet. Das Werkstück selbst ist immer ein Unikat.
Meine HEP-Kollegen Marvin und Tim haben den Podcast „Send HE(L)P“ gestartet. Wer mehr über die PIA zum HEP erfahren möchte, sollte mal reinhören: https://open.spotify.com/show/5wQSNpl4ssxB6ZTd3e17kqN. Gerade die zweite Folge vermittelt einen guten Überblick.
Das Titelfoto zeigt die beiden ersten PIA-Absolventen, Thorben Utermann und Marvin Buchkamp, mit Geschäftsführer Ulrich Christofczik und Geschäftsbereichsleiterin Martina Abendroth.
Auf dem untenstehenden Bild ist Thorben Utermann mit einer Bewohnerin in der Küche des Wohnhauses Neumühl zu sehen.