Schon zum zweiten Mal hat Maria Sandmann ein Praktikum in der EDD-Verwaltung in Beeck gemacht. Diese Praxiserfahrung nimmt sie mit in ihre Qualifizierung zur Büroassistenz, die im Januar 2024 startet. Warum sie erst mit Mitte 30 ins Berufsleben einsteigen kann, wird beim Lesen ihrer Geschichte nachvollziehbar. Sie hat sie für uns zusammengefasst:
Ich heiße Maria Sandmann, bin 34 Jahre alt, seit 16 Jahren glücklich verheiratet und Mutter von zwei wunderbaren Kindern, die 2008 und 2013 geboren sind.
Meinen Sohn musste ich in der 28. Schwangerschaftswoche per Notkaiserschnitt auf die Welt bringen. Ich hatte in der Schwangerschaft ein HELLP-Syndrom entwickelt, eine der schwersten Schwangerschaftserkrankungen überhaupt. Sowohl für die Mutter als auch das Baby kann es lebensbedrohlich werden. Bei einem HELLP-Syndrom sind die Blutgerinnung sowie die Funktion der Leber massiv gestört, was zahlreiche schwere Komplikationen nach sich ziehen kann.
Bei der Geburt wog mein Sohn nur 825 g und war zarte 32 cm groß. Jeden Tag haben wir gebangt und gehofft, dass er es schafft. Wir saßen an seinem Wärmebettchen und lasen ihm Bücher vor oder redeten einfach stundenlang mit ihm. Die Geburt eines Kindes sollte das Schönste auf der Welt sein. Wir waren von dem Schicksal geprägt, unser Kind verlieren zu können. Es war ein Auf und Ab der Gefühle. Die ersten Jahre waren nicht leicht. Die Aussicht auf ein gesundes Kind war gering. Heute ist unser Sohn 15 Jahre und leidet unter Autismus-Spektrum-Störungen, um eine der viele Diagnosen zu nennen.
Die Geburt unserer Tochter dagegen war ein Segen. Die Angst, dass unser zweites Kind und ich dasselbe durchmachen müssen, war sehr groß. Doch es ging alles gut.
Als 2018 mein Vater plötzlich verstarb und in mir eine große Leere hinterließ, fragte ich mich: „Wer bin ich eigentlich?“ Mein Leben war geprägt von der Konfrontation mit Ärzten, Therapeuten, der Krankenkasse und Ämtern. Ich war allein für das gesamte Familienmanagement verantwortlich. Wird es mich ein Leben lang erfüllen?
2019 habe ich begonnen, Hilfe zur Trauerbewältigung in Anspruch zu nehmen. 2020 besuchte ich eine Berufsberatung und bekam die Bewilligung von der Rentenversicherung, am Arbeitsleben teilzunehmen. Das war mein Start in eine neue Zukunft. Ich habe alles getan, was ich konnte und mir immer wieder bewusst gemacht, dass es noch viel mehr zu entdecken gibt. Ein langer, beschwerlicher Weg lag hinter mir, doch ich konnte ihn erfolgreich meistern.
Schließlich habe ich 2022 meine berufliche Laufbahn im BTZ Berufstrainingszentrum Rhein-Ruhr gGmbH Oberhausen begonnen. Das Kernangebot des BTZ ist das berufliche Training mit dem Ziel, Menschen, die nach einer psychischen Erkrankung (wieder) eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufnehmen wollen und dafür Hilfen benötigen, die berufliche Wiedereingliederung oder den Berufsstart zu ermöglichen.
Gleichzeitig schrieb ich mit Unterstützung einer Journalistin meine persönliche Geschichte auf. Dadurch war es mir möglich, all die Dinge zu bewältigen, die mich über die letzten Jahre hinweg zu allem noch begleitet haben. Das Buch wurde 2022 veröffentlicht. Ich bedaure, dass ich es zum Schutz unserer Familie geheim halten muss. Lesungen und Pressetermine nahm meine Co-Autorin wahr.
Im April 2023 absolvierte ich im Rahmen meines kaufmännischen Lehrgangs mein erstes Praktikum in der EDD-Verwaltung in Beeck. Ich arbeitete in den Bereichen Abrechnung, Buchhaltung, Kommunikation/Marketing, Sekretariat der Geschäftsführung, Personalabrechnung und dem Bewerbermanagement zusammen. In der gesamten Zeit habe ich mich weiterentwickelt. Bei Veranstaltungen lernte ich neue Menschen kennen, machte Fotos und schrieb darüber kurze Berichte (z.B. über die Aktivitäten der Sozialen Betreuung in Beeck und über FSJlerin Alina).
Für meine Arbeit bekam ich viel Lob. Eine Kollegin sagte: „Ich habe nicht erwartet, dass die Ergebnisse schon am ersten Tag so gut sind. Großes Kompliment dafür!“ Ihre beruhigenden Worte haben mich tief beeindruckt und einiges an Emotionen hinterlassen. Auch die durchweg positiven Worte anderer Kollegen haben mich sehr gefreut. In den Teams haben wir viel gemeinsam gelacht. Es war ein angenehmes und harmonisches Miteinander.
Im Bereich Abrechnung und Buchhaltung habe ich die Programme Godo und Fibu kennengelernt. Es gab viel Input: von Heimaufnahmen, Heimabrechnungen und Apothekenabrechnungen bis hin zur Koordination und Pflege von Taschengeldkonten. Ich habe viel Freude an der Finanzbuchhaltung, weil ich sehr analytisch bin und es mir guttut, immer wieder gefordert zu werden. Durch meine Tätigkeit in der Buchhaltung konnte ich ein umfangreiches Wissen erwerben. Ich wurde ein fester Teil des Teams und fühlte mich zuletzt nicht mehr als Praktikantin.
Während meines Praktikums ist mir bewusst geworden, dass ich gerne ein Teil der EDD wäre. Selbstverständlich hatte ich bereits Eindrücke in anderen Betrieben gesammelt. Nur hat es mir bei keinem so gut gefallen wie im Team der EDD.
Meinen kaufmännischen Lehrgang im BTZ habe ich mit der Note 1 abschließen können. Im Trainingsbetrieb war ich für die Personalverwaltung/Zeiterfassung zuständig. Meine Schwerpunkte waren Stammdatenpflege und Neuanlage in der Zeiterfassungssoftware Tisoware, Bearbeitung und Klärung der Zeitkonten in Tisoware, Bearbeiten der Zeiterfassungsstatistik in Excel sowie die Weiterentwicklung der Arbeitsabläufe/-anleitung.
Die nächsten Schritte und Wünsche sind genau geplant. Nach einer langen Familienphase, die mich enorm gefordert und stark gemacht hat, beginnt nun meine Berufstätigkeit. Ich bin heute nicht mehr nur Mutter und Hausfrau, sondern auch Mutter und Hausfrau.
Wir danken Maria Sandmann für ihren offenen, sehr persönlichen Bericht, wünschen ihr für ihre Qualifizierung viel Erfolg und freuen uns, wenn sie nach dem Abschluss ein Teil unseres Teams werden kann.